Motorrad-Reisen und -Touren

Monatliches Archiv: Juli 2016

Tag 26 – Reifenflicken

29. Juli – 1.9 km in Budapest

Wie schon so vieles auf der Tour, war das anders geplant. Das heisst, sofern man die Tour überhaupt geplant nennen kann. Ich fahre ja von Tag zu Tag und nur die grobe Richtung und ein paar Fixpunkte stehen fest.

Gestern Abend konnte ich noch nicht in die Tiefgarage und musste heute umparken. Und da sieht man mal wieder: Man weiss nie wofür es gut ist.

Beim Umparken meckert nämlich mein Reifendrucksensor, dass der Luftdruck im Hinterreifen zu niedrig sei. Ich bin ja dank regelmässiger Kontrolle recht gut darüber informiert, dass mein Hinterrad immer so um die 2.4 – 2.6 bar hat. 2.0 wäre also dann definitiv weit unter dem, was innerhalb der IMG_3317normalen Schwankungen wäre. Mir schwant Übles. Und eine schnelle Reifenkontrolle zeigt: Da ist was drin, was da nicht reingehört. Ich hab ein Reifenflickzeug dabei und könnte das reparieren und tendiere zuerst dazu, das auf die Tage zu verschieben. Aber dann überlege ich, wäre ja schade, die Druckluftpatronen zu verballern, wenn ich mit dem Reifen so noch bis zur nächsten Tanke käme. Gesagt, getan. Also den nicht vorhandenen Plan umgeplant und erstmal zu Fuss die nächste Tanke ausgespäht. DabeIMG_7523i ganz interessante elektrische Installationen am einem Hauseingang entdeckt.

Dank dem SwissTool X Plus, ich erwähne die Nützlichkeit dieses Multitools immer wieder gerne :-), konnte ich den Übeltäter schnell rauspuhlen. Nicht übel, was sich da so im Reifen ansammeln kann.

Dann schnell wie im Reiseworkshop des Enduropark Hechlingen gelernt, Loch mit der Ahle aufweiten, schön ordentlich und nicht zu knapp, Gummischlangen und Loch mit dem Klebstoff einkleistern, mit der Durchstecknadel die Gummischlange reinpropeln, abschneiden, Luft auffüllen. Fertig.

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IMG_7514IMG_3325Morgen werde ich sehen, ob das was länger hält und ich die Anweisungen der Anleitung befolgen kann, dass man damit nur bis zur nächsten Werkstatt soll. Die ist ja quasi auch nicht weit. Nur noch 1’200 km bis Berlin. Der Reifen ist ja ansonsten noch gut.

 

Tag 25 – Moppedstehn

301.0 km von Oradea nach Budapest

Der Tag beginnt spannend mit der Überquerung der Strasse vor dem Hotel. 4-spurig und man darf 100 km/h fahren.  Da bekommt der Begriff Blitzstart gleich mal eine besondere Bedeutung. Dafür bin ich dann auch gleich an der Grenze und ohne weiteres Aufheben in Ungarn. Die Uhr wieder um eine Stunde zurück stellen nicht vergessen. Bzw. das iPhone macht das von selbst.

IMG_3291Erstmal nach der Grenze mit Geld, Wasser und einem Happen für den Mittagssnack eindecken. Der Geldautomat schockiert mich zunächst etwas. Er bietet mir die Abhebungsbeträge in 10’000er Schritten an. Ungarische Forint, HUF. Die Zahlen hier sind ganz schön gross. Mein Einkauf von 6 Litern Wasser, einer Dose Pepsi, Zahnpasta, zwei Brötchen, Käse und einer Tüte Bacon-Chips P1030077kostet dann auch stolze 1’443 HUF. Das sind zum Glück grade mal 5 CHF. Womit das Ganze dann wieder recht günstig ist. Aber es war ein Coop. Und sogar diese Woche mit Wenger in der Aktion.

Auch die Sprache ist eher gewöhnungsbedürftig. Manchmal verstehe ich nur Gyros. Die Google Translate Übersetzung macht mich auch nich viel schlauer: Gyros Hambo Roasted Roast. Im richtigen Moment reicht aber Gyros — vorausgesetzt, es heisst das gleiche wie bei uns.

P1030078Dafür gibts auch hier die mittlerweile vertrauten Pferdekarren-Verboten-Schilder. Die allerdings meist gemeinsam mit Treckern und Velos verboten werden.

Und dann wieder die Frage: Die schnellere und kürzere Strecke oder die etwas längere und langsamere? Ich entscheide mich für die zweite Option und liege goldrichtig. Es geht gradewegs auf einen Männerspielplatz. 30km lange Piste zum Verdrecktes MoppedIm-Stehen-Fahren. Dazwischen mit Gewittereinlage, damits auch nicht zu langweilig wird. Das Thermometer fällt innerhalb von ein paar Kilometern mal um 10°C. Kam mir grade recht die Abkühlung per Regen und Temperaturabfall.

Wenn man sich das Video anschaut, dann weiss man auch weshalb das Mopped von unten jetzt so aussieht, wie es aussieht. Wie hiess es die Tage noch irgendwo? Männer werden 7. Danach wachsen sie nur noch. Die Geschwindigkeit täuscht übrigens. Das liegt nur am Weitwinkel.  ?

 

Danach wurde es weniger lustig. Plötzlich kommt schon Budapest und es sind nur noch 10 km. Einmal mehr weiss ich, warum ich wenn immer es geht, Städte mit dem Mopped meide. Für die 10 km habe ich dann auch fast eine Stunde gebraucht. Verkehrstechnisch ist Budapest voll die Pest. So viel Stau habe ich noch selten gesehen. Da ist selbst Zürich harmlos dagegen. Und Zürich finde ich schon schlimm. Aber sie haben hier auch die Rote Welle. Wenn man 50 fährt, hat man alle Ampeln rot. Wenn man im Stau steht (was meistens der Fall ist) allerdings auch. Also steht man sich so durch die Stadt. Als ich im Hotel ankomme, frage ich dir Einheimischen erstmal, ob das immer so sei. Lapidare Antwort: „Ja“.

Da fahre ich tatsächlich lieber 5’500 km durch den Balkan als einmal durch die Stadt. Die 5’500 habe ich nämlich mittlerweile gefahren.

Oh. Und scheinbar hat mich mein Eindruck nicht getrogen. Kaum bin ich wieder in einem Land, in dem sich die Leute etwas mehr um Verkehrsregeln scheren, gehts weiter. Heutige Beute: 3 x Seitenstrasse, 1 x Parkplatz. Da scheint es tatsächlich einen Zusammenhang zu geben.

Tag 24 – Transalpina und E79

397.7 km von Novaci nach Oradea

Heute morgen war etwas seltsam. Ich hatte recht schlecht geschlafen. Dann komm ich runter zum Frühstück. Kein Frühstück. Keine Menschenseele. Ok, denk ich. Dann packen und los. Komm ich mit meinem Geraffel runter, schlurft die Mutter des Pensionsbetreibers um die Ecke. Im Morgenmantel und mit Kopftuch. Ich hatte spontan den Film Psycho im Kopf. Und hatte trotz der guten Erfahrungen von gestern Abend plötzlich das Bedürfnis, die Pension so schnell wie möglich zu verlassen. Meine Laune war in dem Moment nur bedingt als positiv zu bezeichnen.

TransalpinaGlücklicherweise hatte ich die Transalpina direkt vor der Nase. Wörtlich. Die Pension war direkt an der Strasse. Und ich glaube ich habe meine neue hochalpine Lieblingsstrasse gefunden.  108 km purer Fahrspass: Kurven,  Hochgebirge, Wälder, Seen, kurze Schotterstücke und alles, was rumänische Strassen sonst noch so zu bieten haben: Kühe, Esel, Pferde, mit und ohne Wagen, mit und ohne deren Hinterlassenschaften auf der Strasse, Schlaglöcher, Bodenwellen. Meine Laune wurde schlagartig besser. Und das obwohl die Temperatur auf 14°C da oben abgekühlt ist.

Stausee an der TransalpinaDie Transalpina geht im Norden bis Sebes (Mühlbach). Danach machte die E79, die bis zur ungarischen Grenze führt einen guten Eindruck auf der Karte. Schön kurvig und immerhin eine E. Kann also nicht so schlecht sein. Wie ich heute Abend in Wikipedia nachgelesen habe, sind Europastrassen meist Autobahnen (die ich ja vermeide) aber auch seltener Bundesstrassen. Der Autor bezog sich eindeutig auf deutsche Strassenverhältnisse und war noch nie in Rumänien. Die E79 hier lässt sich am ehesten so beschreiben:

200 km Baustelle, die durch geschickt platzierte Baustellenampelanlagen zum Verweilen einlädt. Verkehrsgünstig gelegen, verbindet sie Ungarn mit Griechenland und bietet in Rumänien teils noch original erhaltene Teilstücke im Ursprungszustand. Schlaglöcher und Bodenwellen sorgen für die während der Fahrt notwendige Vertikalbewegung. In Serpentinen einspurig ausgeführte Streckenabschnitte ohne Signalisation verschaffen, insbesondere bei entgegenkommendem Gross-KFZ-Verkehr, ein ganz besonderes Erlebnis.

Bei einer dieser Bodenwellen hat meine Bodenschutzplatte ein ganz hässliches Geräuch gemacht als ich aufgesetzt bin. Offensichtlich hat sie aber ihren Zweck erfüllt: Der Motor lief danach noch einwandfrei.

Das wär alles nicht so schlimm, wenn diese Ampeln nicht wären. Rein statistisch hätte ich die Hälfte grün haben müssen. Aber Pustekuchen. Vor jeder dieser Ampeln habe ich gestanden. Das ist bei 31°C im Schatten — nur ohne Schatten. Das war nicht lustig.

So nach und nach passe ich mich also dem rumänischen Fahrstil an. Ich beginne zu verstehen. Zwar fahre ich nicht, die rote Ampel ignorierend in die Baustelle rein, aber immerhin an der Warteschlange vorbei. Einmal reichts vorne nicht und ich komme neben einem weissen Zivilwagen zum Stehen. Gucke so rein und sehe das Armabzeichen eines Strassenpolizisten. Ganz hilflos nicke ich ihm zu. Er nickt telefonierend zurück. Sache erledigt. Puh.

Immerhin bin ich jetzt kurz vor der ungarischen Grenze und es ist noch eine halbe Tagestour bis Budapest.

[Edit, 28.7.2016, Rechtschreibkorrektur]

 

Tag 23 – Transfăgărășan

26. Juli – 270 km von Sâmbăta de Sus nach Novaci

Aus mir unerfindlichen Gründen glaubt Google Maps, die Transfăgărășan wäre nicht durchgänig befahrbar, ist sie aber. Der westliche Schlenker gehört nicht dazu

 

Drum in LucruHeute erstmal Anfahrt zur Transfăgărășan. Meine Güte, wie lang hab ich gebraucht, um die ganzen a und r in die richtige Reihenfolge beim Aussprechen zu bekommen.

Diese Umleitung auf dem Weg fand ich spannend. Drum in Lucru heisst wohl so viel wie „Strassenarbeiten“. Aber nicht etwa 7 Kilometer sondern wie man am Stopschild kurz hinter der Baustelle sehen kann, ist die Baustelle grad dahinter auch zu Ende gewesen. Das Schild war wohl noch wo übrig. Und besser zu viel, als zu wenig angezeigt.

Aber am Fuss der Transfăgărășan scheint es ein Motorradtreffen zu geben. Die Moppedtreffen an der TransfăgărășanTanke ist voll. Mehr Moppeds an einer Tanke als ich die letzten Tage zusammen gesehen habe. Apopos Mopped. Ich habe ja überlegt, ob ich hier Töff oder Mopped schreiben soll. Aber nachdem der Blog nun Moppedfahn heisst, war die Entscheidung klar. Und damit auch keine Irritationen für schweizer oder deutsche Kollegen auftreten, hier eine kleine Übersetzungshilfe

  • Mopped (ugs) = Motorrad (d) = Töff (ch)
  • Moped (ugs) = Mofa (d) = Töffli (ch)

Interessant auch, wie sich im Laufe der Wochen die Wahrnehmung der Dinge verändert. Wie zum Beispiel die Sache mit dem Sonnenstand. Nachdem mein iPhone-Ersatz-Navi die Karte in Richtung Fahrtrichtung dreht, statt wie jedes anständige Navi die Karte genordet anzuzeigen, bekomme ich nicht mehr mit wenn ich mal falsch abgebogen bin und in die falsche Himmelsrichtung fahre.  Heute Morgen kam mir was komisch vor und irgendwie dachte ich mir so: „Du fährst in die falsche Richtung, der Schatten fällt falsch“. Und siehe da: Ich fuhr in die falsche Richtung, bzw. das Navi machte einen Schlenker erstmal woanders hin weil es dachte, das wäre besser so. Beruhigt mich, dass meine Orientierung nicht so schlecht ist, wie ich immer dachte — oder sie einfach bisher nicht gebraucht wurde.

Transfăgărășan

Und dann endlich in die Berge rauf. Ich fahre ja gerne Bergstrecken. Einfach weils Spass macht. Und weil die Aussicht mitunter ganz grandios ist. Und hier besonders, weil im Flachland werde ich immer überholt weil ich mich nicht traue, mehr als 10-20 über das Geschwindigkeitslimit zu fahren. In den Bergen hat mich nicht mal einer überholt. Nicht mal Moppeds. Und das obwohl ich nie über die erlaubten 90 drüber war. Ok. Ich war auch nicht oft drunter .. 😉

Café mit SchafenAm südlichen Ende der Strecke ein Café. Komischerweise vollkommen leer. Ich war der einzige Kunde. Dabei war das Ambiente gut, der Kafee war vorzüglich und ich hab sogar noch umsonst einen Snack bekommen. Dafür gabs dann auch ein gutes Trinkgeld. Die Schafe habe ich erst beim Wegfahren gesehen. Und nicht vorher gerochen. Ehrlich!

Gleich gegenüber war ein Dr. Oetker. Sah funkelniegelnagelneu aus. Mein Cousin ist bei Dr. Oetker und sagte mir, dass die da wohl Nährmittel. Pudingpulver etc. herstellen. Und auch sonst sind sie alle hier: Lidl, Kaufland, Praktiker, Hornbach, Metro, Raiffeisenbank (die übrigens kein Geld wechselt), TUI, Jack Wolfskin, Lufthansa City Center. Um nur die zu nennen, die mir grade einfallen. Und gut, dass das hier kein komerzieller Blog ist. Da darf ich das schreiben.

Silleben mit Schild, Brunnen und HeuhaufenIm späteren Verlauf bin ich dann im wahrsten Sinne über diese Szene gestolpert. Stilleben mit Schild, Brunnen und Heuhaufen, quasi. Aufgefallen ist mir das erstmal wegen des „Unebene Strasse“ Schildes. Wenn die hier schon davor warnen, dann muss es ernst sein. War dann letztlich nicht schlimmer, als ich das schon ohne Warnung hatte. Spassige Strassen eben. Deswegen bin ich hier.

Kapelle mit BrunnenWas mir auffällt: Egal wie arm die Orte auch erscheinen, die Kirchen sind meist herausgeputzt. Sind zwar üblicherweise klein, aber sehr fein anzuschauen. Manchmal auch in Kapelle und mit Brunnen. Selbst wenn, wie in diesem Fall, die Perspektive täuscht. Der Brunnen steht auf der anderen Strassenseite. Aber hübsch ist trotzdem anzuschaun. Der Brunnen ist übrigens in Funktion. Ich habe nachgeschaut.

Gleich daneben entsand mein Lieblingsbild von heute. Der Schäfer hat so ganz die Ruhe weg, so wirkt es.Schäfer hat die Ruhe wegGelandet bin ich dann mal wieder in einer schnuckeligen Pension mit Eigentümer-Taxiservice vom und zum Restaurant. Gleich an der DN67C, der Transalpina. Dann kanns morgen gleich losgehen.

Und grade bekomme ich noch die Nachricht, dass mit mein Ersatz BMW Navigator V pünklich zum Zwischenstopp in Sonneberg geliefert wird. Ich weiss, ich wiederhole mich, aber es geht nichts über guten Service. Und dafür ausdrücklich nochmal eine lobende Erwöhnung an Arrigoni Sport!

 

Tag 22 – Teer wird vollkommen überbewertet

270.8 km von Brasov nach Sambata de Sus

Eigentlich sind das nur 88 km, wenn man direkt fahren würde. Aber der Weg ist das Ziel. Und heute war viel Weg. Und viel Umweg. Und viel Umsonstweg 😀

IMG_3205Nachts wird es hier recht frisch. Das Thermometer zeigte grad mal 12°C an. Aber das juckt das Wetter nicht. Als ich fertig gepackt habe, ist schon wieder moppelig warm. Der Tag startet dann damit, dass sich ausrüstungstechnisch beginnt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Nächste Ausfallerscheinungen zeigen sich. Heute hats die GoPro Verlängerung erwischt, die man eigentlich braucht, um das wegen des Zusatzakkus dickere Gehäuse trotzdem passend zu machen. Egal. Passt auch ohne.

Nach Valea Dăii,Aus dem Augenwinkel beim Vorbeifahren sehe ich eine Schotterpiste von einer Parkbucht aus weggehen. Die geht bis Valea Dăii und kann nicht wiederstehen. Schöne Strasse, gut zu befahren.

Es gibt jede Menge deutsche Ortsnamen. Ist mir schon auf der Karte aufgefallen. Normalerweise übersetzen die deutschen Karten nur die grossen Städte für die es Eigennamen gibt. Aber nicht so viele kleine Dörfer.  MIr wurde glaubhaft versichert, dass es hier keine deutsche Geschichte gibt. Gut, dass ich nicht alles glaube, was man mir glaubhaft versichert. Ich habe sieben Burgen zusammengezählt und bin in Siebenbürgen gelandet. Das ist nämlich hier und war um 1200 rum ziemlich deutsch. Und da sind ganz witzige deutsche Namen dabei. Burgen gibts hier wirklich jede Menge.

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Das Navi führt mich auf die DJ 143 an Peschendorf und Kreisch vorbei. Bei Kreisch hätte ich schon aufmerksam werden sollen. Wie ich mittlerweile weiss, sind die DN in Rumänien gut ausgebaute Überlandstrassen mit recht gutem Belag. Bei den DJ hat man eher so das Überraschungspaket und weiss nicht wirklich was kommt. Kann gut gehen, muss aber nicht. In dem Fall wurde aus dem schlechten Teerbelag ein guter ungeteerter Belag, dann gings in Richtung Sandpiste, die sich im Wald hier und da in eine Schlammpiste verwandelt.

 

Als mir zwei Enduristen mit leichten Maschinen entgegenkommen gucken sie etwas komisch und fragen, wo ich denn mit der Dicken und dem Gepäck hinwolle. Ich zeige nach vorne. Sie schütteln mit dem Kopf und sagen, Sie hätten schon schieben müssen. Und haben leichte Maschinen und waren zu zweit. Ich glaube, es war eine gute Entscheidung umzukehren und, den Rest der Strasse grossräumig zu umfahren. Hat mir weh getan weil die einen Heidenspass gemacht hat. Aber alleine und mit einer 360 kg Maschine plus Gepäck, das macht keinen Sinn. Beim Wenden ist sie mir dann glatt umgefallen und wenn ich mir vorstelle, ich hätte das ganze Gewicht mehr als einmal hochwuchten müssen …

Der Umweg ging dann über DJ 106, 104D, 105AP1020989. Da weiss ich bis zum Schluss nicht, ob ich durchkomme. Aber ich kam. Und wurde mit einem Meisterstück in kreativem Parkieren belohnt. Ich gebe zu, dass ich für so etwas voller Bewunderung bin. Auch die beiden älteren Damen, die mich aufmerksam beim Fotografieren beobachtet haben, mussten mir zustimmen, dass das mal grandios parkiert ist. Wobei ich mir die Stelle angeschaut habe. Ich habe wirklich keinen blassen Dunst, nicht mal theoretisch, wie der dahin gekommen ist. Mitsamt Anhänger.

StorchennestUnd zum Abschluss nochmal einen von Meister Adebahr mitsamt Nachwuchs. Ebenfalls bewundernswert, wie die das Nest auf die Masten befestigt bekommen, so dass es hält.

Gelandet bin ich in einer kleinen Pension mit Blick direkt von Norden auf die Karpaten. Bis zu den Bergen ist recht plattes Land und dann wachsen da plötzlich bewaldete Berge hoch. Faszinierend.  Morgen dann gehts auf eine der beiden Strassen, die ich hier unbedingt fahren wollte: Die Transfagarasan. Ich freu ich jetzt schon und das Wetter soll gut werden.

 

 

 

Tag 21 – Durch die Wallachei in die Karpaten

24. Juli – 384.7 km von Jurilovka nach Brasov

Meine beiden Gastgeber (nochmal ganz, ganz grosses Lob) haben mir für die Tourplanung durch Rumänien geholfen und mir tolle Tipps gegeben. So bin ich heute ein wenig mehr gefahren, als geplant. Wie so oft auf dieser Tour: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Wobei über 7 Stunden im Sattel schon anstrengend sind. Noch 😉

Pferdekarren mit NummernschildHP1020932eute Morgen kurz vor der Abfahrt ist mir aufgefallen, dass die Pferdekarren hier Nummernschilder haben. Sicher sinnvoll bei Geschwindigkeitsübertretungen. Muss ja alles seine Ordnung haben. Oder für den Fall, dass jemand ein auf einem 3 m hoch geschichteten Heuballenhaufen auf dem Pferdekarren sitzt, und nicht angeschnallt und mit dem Smartphone spielend das Pferd lenkt. Leider war ich zu langsam, um ein Foto davon zu machen. Aber an der Situation war aus meiner Sicht so einiges ungewöhnlich.

Und apropos Pferdekarren: Es ist ja nur konsqeuent, dass die Pferde hier oft an der Strasse im Vorgarten angeleint stehen und grasen. Ein wenig wie bei Pipi Langstrumpf. Wo sollten sie auch sonst hin? So kann man sich auch den Rasenmäher sparen. Und ich habs auch endlich geschafft, mal ein Bild von einem „Für Pferdekarren Einfahrt verboten“-Schild zu machen.

P1020895Auf dem Weg nach Brasov, hab ich auch mal eine Flussfähre benutzt. War das ein Schauspiel, einen Reisebus und ca. 30-40 PKW auf diese Fähre zu bekommen. Erstmal dauerte es gefühlte Ewigkeiten bis das Ding leer war. Dann musste man an die Fähre ranfahren, an einem Kassenhäuschen die Fahrt bezahlen, fast wie an der Mautstation. Weiter fahren durfte man aber erst, wenn man auch den Kassenbeleg in der Hand hielt. Anschliessend wurde man von einem resuluten älteren Herrn an seinen Platz gewiesen. Soweit so gut. Hätte auch gut und flüssig funktioniert, wenn das Rangieren nicht wäre. Hossa. Was haben die da veranstaltet. Nicht wenige brauchten mehr als einen Anlauf um den PKW in angemessenem knappen Abstand zum Nachbarfahrzeug zu bekommen.

P1020916Früher hiess es immer, wenn irgendwas weit weg ist, das ist ja echt in den Karpaten. Und jetzt sind die Karpaten gar nicht mehr weit weg. Ich bin mitten drin. Und sogar durch die Walachei bin ich gefahren. Laut Wiktionary ein Synonym für „abglegene, zivilisationsarme Gegend“. Stimmt. Nix los da. Plattes Land. Und zieht ganz schön. Hätte mich ein paar Mal fast vom Mopped geweht. Nicht mal Bäume oder sonstwie Schatten da, um mal ein Notiz oder Trink-Päuschen zu machen. Nur Felder, Felder und nochmal Felder. Und hier und da ein P1020919paar Pferdeäpfel auf der Strasse. Und – ich trau meinen Augen nicht: Ein paar Ölförderpumpen.

Auf dem Weg hab ich dann in der Walachei eine Strasse gefunden, da konnte ich einfach nicht dran vorbei fahren. Richtig grobe Kiesel. Toll!

Je mehr es Richtung Brasov ging, desto hügeliger wurde es. Sind quasi Vorkarparten. Und auch scheinbar war hier mehr Geld. Die Städte wirkten reicher, die Strassenränder ordentlicher, die Häuser gepflegter. Und hier und da guckt da eine Kirche raus, die einen staunen lässt.

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Eigentlich wollte ich ja der Empfehlung folgen, und erst nach Brasov zum Übernachten anhalten. Aber das wäre ja dann noch länger und ich habe beschlossen, dass Brasov für heute reicht.

Das Restaurant, in dem ich eigentlich essen wollte, war durch Hochzeit ausgebucht. Also musste ich doch durch Brasov laufen, mir etwas anderes zum Essen suchen. Und da sieht man mal wieder: Man weiss nie, wofür es gut ist. Hat sich nämlich gelohnt. Die Stadt wirkt auf den Fotos ein wenig wie Freizeitpark. Und fühlt sich sogar ein bisschen so an.

 

Tag 20 – Donaudelta

23. Juli – ca. 100 km mit dem Boot durchs Donaudelta

Heute morgen um 9:00 gings los. Abmarsch zum Hafen. Jurilovca ist ja nicht soo gross, als das man das nicht zu Fuss machen könnte. Dabei im Gepäck: Wasserflasche, frisch erworbenes Sonnenschutzmittel, Fotoapparat, Mütze. Das war auch nötig. Alles. Die Sonne brutzelte nämlich schon ganz schön.

Die Tour dauerte sage und schreibe 5 Stunden bis 14:00 Uhr und hat sich absolut gelohnt. Falls wer jemals hier in der Gegend ist: Machen!

Und weil Bilder mehr sagen als 1´000 Worte, gibt es ansonsten hier für heute tatsächlich ausschliesslich Bilder vom Bootstrip. Viel Spass beim Gucken!

Tag 19 – Endlich Rumänien

22. Juli – 343.9 km von Russe, BG nach Jurilovca, RO

Schöne blaue DonauDer Tag an der schönen Blauen Donau in Russe fing mit einem grandiosen Blick aus dem Fenster an. Gleich auf der anderen Seite ist schon Rumänien. Das hab ich mir aber noch für später aufbewahrt.  Allerdings nach dem Losfahren zu spät gemerkt, dass ich in nem Kreisverkehr falsch abgebogen bin und schwupps, vor der Grenze stand. Mittlerweile zolle ich Grenzenm nicht mehr ganz den ihnen gebührenden Respekt. Da ich ausserdem schon ein paar Tage hier unten bin, gilt dasselbe für Verkehrsregeln (also Verkehrsempfehlungen). Da ich noch nicht nach Rumänien wollte, also in der Einbahn-Warteschlangen-Spur gewendet und gegen die eigentlich vorgesehene Fahrtrichtung wieder rausgefahren.  Hat sich keiner dran gestört. Ich mich auch nicht.

Apropos Verkehrsregeln: Mir ist aufgefallen, dass es bisher nicht einmal in Serbien, Mazedonien oder Bulgarien zu einer in Deutschland so typischen „Ich fahr den Moppedfahrer über den Haufen“-Situation gekommen ist. Mag sein, dass das daran liegt, dass hier eh jeder kreativ fährt. Oder dass mich das Sonnenblumenfeldeinfach nicht mehr stört, wenn etwas Unerwartetes passiert. Weil ich rechne ja damit, dass es passiert. Auf jeden Fall interessantes Gefühl.

Bulgarien enstlässt mich mit der Fahrt durch schier endlos scheinende Sonnenblumenfelder. Gibts ja bei uns auch nicht so häufig. Sieht aber klasse aus, wenn die alle gleich Richtung Sonne ausgerichtet sind.

Um halb eins erreiche ich dann die rumänische Grenze. Und warte. Und warte. In der prallen Sonne. Zu Glück steht vor mir ein LKW, der mir Schatten spendet — und dessen Fahrer sich auch aufregt, dass das an der rumänischen Grenze immer so lange dauert. Ich hab zwar kein Wort verstanden, aber das war eindeutig. Zur Belohnung bekomme ich nach der Überquerung der Grenze gleich erstmal einen kleinen Jungen auf den Schoss gesetzt. Das ist nicht etwa Tradition hier, sondern dessen Eltern wollten unbedingt ein Foto mit ihm und mit mir auf dem Mopped haben. Ich hab natürlich gerne zugestimmt. Passiert ja auch schliesslich nicht an jeder Grenze und fand ich irgendwie knuffig.

Lost PlacesAuch heute mal wieder einen spontanen Zwischenstopp an einem „Lost Place“ eingelegt. Ich vermute, das war mal irgendwas mit Grenze und LKW-Überwachung. Rausbekommen habe ich das aber nicht.

Ansonsten bin ich überrascht, wie gut die Strassen sind. Und wie hübsch es hier ist. Viel Land. Viel Grün. Viel Landwirtschaft. Ich hatte mir ein wenig etwas anderes vorgestellt. Mehr so wie im zweiten Teil vom Video. Aber das war nur eine kurze Verbindungsstrasse von ein paar Kilometern.

Die Kamikazevögel, die mir in Bulgarien schon aufgefallen sind, gibt es hier allerdings auch. Schonmal jemand gemerkt, dass sich in DE und CH die Vögel von der Strasse fernhalten? Mir bisher noch nicht. Erst jetzt. Weil hier tun sie das nämlich nicht und fliegen kreuz und quer vor einem auf der Strasse rum und liefern sich Wettrennen mit den KFZ. Noch andere seltsame Vögel habe ich mal im Video unten zusammen geschnitten.

Ich habe übrigens aufgehört in Rumänien die Pferdefuhrwerke zu zählen. Die sind überall. Ungelogen. Ich habe irgendwann auch aufgehört, auf den Auslöser zu drücken. Da könnt ich mich ja dran halten.

Gelandet bin ich letztlich in Jurilovca in der schnuckligen Pensiunea Milică. Die war zwar ein wenig teurer als das heutige Hotel-Schnäppchen. Aber da sie privat betrieben wird erhoffte ich mir ein wenig mehr „Land & Leute“ als in einem anonymen Hotel. Und ich wurde nicht enttäuscht: Unglaublich nette Gastgeber, lokales Essen gleich vor Ort und das auch noch sehr lecker. Bin nur froh, dass ich alleine unterwegs bin, ansonsten könnte die Knoblauchfahne, glaub ich, keiner aushalten. Ich grusel mich ja schon jetzt vor mir selbst. Und weils so schön ist habe ich spontan eine Nacht verlängert und morgen früh gehts dann von hier aus per Boot ins Donau-Delta.

Und hier noch der Tag im Schnelldurchlauf per Video. Das Pferd steht übrigens an einer Tankstelle ;-). Im letzten Teil habe ich mal bei einem der typisch-sozialistischen Ortseingangs-„Tafeln“ halt gemacht. Stehen überall rum und sehen teils ziemlich verfallen aus. Gibts auch in Statue, Monument oder ähnlichen denkmal-artigen Bauwerken.

 

 

 

 

 

Tag 18 – Schlaglochalarm

21. Juli – 327.7 km von Sofia nach Russo

Kaum hat man die endlose Kopfsteinpflasterstrecke durch Sofia, die Mann und Maschine alles abfordert, hinter sich gelassen, wird sie von Baustellen abgelöst. Auch nicht besser.


Da ich mein Ersatz-Navi nach wie vor auf „Autobahn und Mautstrecken vermeiden“ eingestellt habe, führt es mich auch gradewegs auf die Strasse, die parallel zur Autobahn verläuft und gefühlt seit deren Bau in den 80ern nicht mehr gepflegt wurde. Eigentlich ist das keine Strasse. Das sind Schlaglöcher, die von Teer zusammengehalten werden. Aber so wollt ich’s ja.

Brücke und MoppedDie Autobahn unterquere ich dann auch mehr als einmal und wenn man die Grössenverhältnisse so sieht, dann ist das schon ein echt mächtiges Bauwerk. Hinweis: Auf dem Bild ist mein Mopped zu sehen.

Zu Mittag „gönne“ ich mir einen Kaufland-Besuch. Ich war neugierig, wie der Laden hier in Bulgarien wohl so aussieht. Die haben hier ab und an eine SchokoladeFiliale und da mir der lokale Käse für meinen Mittags-Snack ausgegangen ist, kam mir das grad richtig. Es ist ein ganz schön komisches Gefühl in einen Laden reinzugehen, von dem du denkst, dass du ihn kennst und dann stehst du vor einer Wand mit Produkten offensichtlich aus Tomaten und du hast nicht den absolut geringsten Dunst was das für Produkte sind weil die ja alle in kyrillisch bezeichnet sind. Aber Schokolade gabs. Die habe ich erkannt.

Apropos Produkte: Es fahren hier auch durchaus KFZ rum, denen man noch ansieht, dass sie mal ursprünglich aus Deutschland kamen. LKW mit original deutscher Firmenbeschriftung oder Busse, die mit dem Schild „Leerfahrt“ unterwegs sind.

P1020666Auf der Fahrt komme ich auch immer wieder an „Lost Places“ vorbei. Ich mag solche Plätze. Die haben so etwas vom Glanz aus vergangenen Zeiten und verströmen einen ganz maroden Charme. Wie diese Tankstelle hier, die ich irgendwo im Nirgendwo gefunden habe. Wenn so etwas hier nicht mehr gebraucht wird, macht man es scheinbar zu und lässt es verrotten.

Wo wir grade bei „unterwegs“ sind. Zwei Verkehrszeichen fallen mir auf, die es so bei uns nicht gibt: Das Normale „Warnung“ Dreieck mit einem schwarzen Punkt drin. Erst dachte ich, es handelt sich um die Warnung vor Schlaglöchern. Hätte gepasst. Aber ich habs gegoogelt: Ist die Warnung vor einem Unfallschwerpunkt. Wird mir in Litauen noch nützlich sein. Da gibts das Schild auch.

Das andere ist das Verbot der Einfahrt für Pferdefuhrwerke. Da waren sie wieder. Überflüssig zu erwähnen, dass die einzigen zwei Pferdefuhrwerke, die ich heute gesehen habe auf just genau dieser Strasse waren, in der die Einfahrt für ebensolche verboten war. Da die Schilder erst dort stehen, wenn man schon mitten in der Strasse drin ist, kann ich verstehen, dass sie ignoriert werden. Aus dem gleichen Grund habe ich noch nicht geschafft, ein Foto davon zu machen.

So ist das hier mit Verbotsschildern. Die haben gefühlt eher so einen Hinweis-Charakter. So nach dem Motto: „Also wenn es wirklich keine Umstände macht und ansonsten keine offensichtlichen Gründe gegen Überholen sprechen, wäre es trotzdem sehr nett, wenn hier nicht überholt werden würde.“. De facto: Kümmert sich keiner drum. Ich hab Überholvorgänge gesehen, da bin ich schon ein paar Fahrzeuge dahinter auf der Bremse gewesen, weil ich dachte, dass das auf keinen Fall mehr passt. Passte aber. Zur Not halt drei Autos nebeneinander. Andererseits wird man auch ganz ruhig, wenn einem plötzlich auf der eigenen Spur ein LKW entgegen kommt. Passt schon.

Weniger schön für mich: Auf derselben Strasse stehen alle paar Kilometer eindeutig zu freizügig bekleidete Damen herum, die mir das ein oder andere Körperteil bei der Vorbeifahrt entgegenstrecken. Ich fand das bRoundaboutefremdlich. Aber wie heisst es: Andere Länder, andere Sitten.

Sehr witzig fand ich auch die sehr ernst zu nehmende Warnung vor einem Kreisverkehr. Die ging schon 1´500 m davor los und die Schilder kamen alle paar hundert Meter. Ich habe nicht herausgefunden, warum davor so gewarnt wurde. So ungewöhnlich sind die Dinger selbst in Bulgarien nicht.

P1020684Gelandet bin ich dann in Russe, im 9. Stock vom Grand Hotel Riga, dass ich über http://booking.com für 34 EUR ergattert habe. Jetzt wo ich hier bin, muss ich sagen: Ein Schnöppchen. Von aussen dachte ich erst „Oooooh je. Das hat die besten Tage schon lange, lange hinter sich“. Sah so ein wenig aus wie die Tankstelle oben. Aber von innen: Oh la la. Und von oben erst. Direkt an der Donau und auf der anderen Seite ist schon Rumänien. Der Blick aus meinem Zimmer lässt keine Wünsche offen.

 

Edit: 22.7.2016, Video repariert