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Tag 53 – Finnland

25. August – 324.7 km von St. Petersburg nach Parikkala

Die Abfahrt von und durch St. Petersburg zeigt mir nochmal ein paar schöne Ecken. Ansonsten ist ziemlich viel Verkehr und ich bin froh, als ich aus der Stadt raus bin und es wieder rollt.

IMG_4116Es wird auch merklich kühler auf dem Land. In einer Umziehpause am Strassenrand hält hinter mir ein russischer LKW. Der Fahrer steigt aus und kommt auf mich zu. Er hält mich für einen Tschechen, wegen des CH auf dem Koffer. Ich schaffe ihm aber klarzumachen, dass CH für die Schweiz steht. Daraufhin erzählt er mir auf Russisch, er hätte auch ein Mopped, eine Jawa aus dem Jahre 1958. Zumindest denke ich mir das, als er mir 1958 auf den Seitenkoffer mit der Hand malt. Dann schüttelt er mir die Hand, wünscht mir gute Reise und fährt von Dannen. Erstaunlich, wie Kommunikation funktionieren kann, obwohl sie scheinbar so gar nicht funktioniert.

In den Nachfolgenden Pausen muss ich immer mehr anziehen, bis ich schliesslich mit Fleece-Pulli und voller Regenmontur da stehe. Der Regen lässt auch nicht lange auf sich warten. Hält sich aber in Grenzen.

Die Grenze auf russischer Seite sieht erstaunlich aufgeräumt und neu aus. Im Vergleich zur Einreise geht das auch recht einfach: Zollkontrolle, Passkontrolle, Taschenkontrolle fertig. Ich frage mich allerdings, was die bei der Taschenkontrolle sehen wollte. Musste die beiden Packtaschen oben aufmachen. Sie hat reingeguckt, genickt und mich fahren lassen. Ich hätte wer weiss was in den Koffern und unten in den Taschen haben können.

Auf finnischer Seite dann Passkontrolle. Fertig. Die sind da echt tiefenentspannt. Musste absteigen, dann in ein Gebäude, durch Abfertigungsanlagen wie am Flughafen und dann auf der anderen Seite des Gebäudes wieder raus zum Mopped. Sonstige Absperrungen waren da keine. Hab keine Ahnung wie die Beamten da mitbekommen haben, ob ich überhaupt da durch gegangen bin.

In Finnland dann sind die Strassen deutlich besser, das Gras grüner und der Himmel blauer. Ich fühle mich wieder mehr wie daheim. Finnland ist ja seit Jahren schon eines meiner Lieblingsländer. Und wer mal hier war, weiss warum.

IMG_4125Im Supermarkt merke ich, dass mein Finnisch doch nicht so eingerostet ist, wie ich dachte. Zumindest der passive. Für viele der Worte fällt mir die Bedeutung wieder ein. Und auch die Produkte, die ich von damals noch kenne, gibt es noch. Wer mal hier ist: Diese Wurst nicht kaufen – ausser man hat einen Hund.

Dann schickt mich das Navi auf die Via Karelia. Die ist im südlichen Teil fast schon eine Achterbahn. Nach Hügeln kommen Senken in denen es auch dann gleich in die Kurve geht. Geteert zwar, aber leider nass. Egal. Hat trotzdem Spass gemacht. Dann geht es auf haufenweise Schotter immer mal wieder von der Teerstrasse runter. Mein Navi weiss, was ich will. Und Abends sieht mein Mopped einmal mehr aus wie durch den Schlamm gezogen.

Tag 52 – St. Petersburg

24. August – Ein paar Kilometer zu Fuss durch St. Petersburg

Morgens losgelaufen, um mal relativ ziellos einen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Und da waren sie wieder. Die Lautsprecher. Zwar hier nicht gut sichtbar, dafür aber gut hörbar. Ein Herr erzählte dann auch was auf Russisch. Interessanterweise gingen vorher die Sirenen und jede Menge Martinshörner fuhren durch die Gegend. Da die um mich herum befindlichen Russen aber nun nicht in Panik ausgebrochen sind, sah ich dazu auch keine Veranlassung und habe meine Fotosafari unbeeindruckt fortgesetzt.

Insgesamt macht die Stadt den Eindruck, als wäre sie mal sehr reich gewesen aber mittlerweile etwas vernachlässigt, vielleicht auch ein wenig runtergekommen. Wenn man genau hingeschaut hat, war vieles doch schon recht kaputt oder lange nicht instand gesetzt. Hier und da musste man auch nicht so genau hinschauen, um das zu bemerken.

Es stehen allerdings überall Müllkörbe, die auch reichlich genutzt und nachts geleert werden. Insofern macht die Stadt dann auch wieder einen sauberen Eindruck. Zumindest der Teil in dem ich war.

Mein Appartment war direkt am Nevsky Prospekt, um die Ecke der Erimitage. Und dieser Nevsky Prospekt wird scheinbar von allem was reich ist und dicke Autos oder/oder laute Moppeds fährt, als Renstrecke benutzt. Das war doch teils recht laut  wenn die auf kürzester Strecke mit Vollgas beschleunigt haben, was das Zeug hält. Und auch nicht so ganz ungefährlich für Fahrer und Passanten. Und das hallt so schön, in den Häuserschluchten.

Abends habe ich mich dann so lange in der Stadt rumgetrieben, dass ich fast nichts mehr zu Essen bekommen habe. Fast.  😉

Die Beute dieses Tages als Galerie.

Tipp: Die Maus über die Galeriebilder fahren. Dann wird eingeblendet, was es ist. Mobil einmal drauf tippen.

 

 

Tag 51 – Nach St. Petersburg

23. August – 176.1 km von Narva nach St. Petersburg

Heute Aufbruch recht früh und erstmal tanken. Ich stehe vor der Zapfsäule, häng den Rüssel rein. Nichts. Das Gerät piept ganz hektisch. Ein freundlicher Russe kommt vorbei, drückt ein paar Tasten und gestikuliert mir, dass ich jetzt tanken könne und dann drin bezahlen. Ich bin angenehm überrascht. Russen haben sich bisher für mich durch alles Mögliche ausgezeichnet, aber nicht durch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.

Dann ab zur Grenze. Da fängt mich erstmal ein Grenzbeamter ab, ob ich denn schon mein Fahrzeug registriert hätte? Meinen Gesichtsausdruck hätte ich sehen wollen. Ich aber bewahre die Contenance und erkundige mich, wo ich das tun könne. Er zeigt auf die Karte vor meinem Gesicht: ‚Follow the black line‘.

Oookeh. Also wieder ein paar Kilometer aus der Stadt raus. Zum Registrierungsbüro. Am ‚Fenster 1‘ Reisepass und Fahrzeugpapiere vorzeigen. Der freundliche Herr knöpft mir 1.50 € ab und drückt mir sowas wie einen Kassenzettel mit den Worten in die Hand, ich müsse aber nicht bis zur angegebenen Zeit warten sondern könne gleich auf die andere Seite der Wartezone zu Fenster 2. Hat wohl Mitleid mit mir bei dem Regen.

Also zu Fenster 2. Der will den Kassenzettel sehen, will nochmal nen Euro, telefoniert und sagt, ich solle nochmal zum Mopped zurück und warten bis mein Kennzeichen auf der  grossen Tafel erscheint. Ich richte mich mal auf Warten ein und fange an, mein von der Tanke mitgebrachtes Butterbrot zu essen. Damit komme ich aber nicht weit denn plötzlich geht es ganz schnell. Registrierungsnummer erhalten und wieder ab zur Grenze, in die Schlange anstellen.

IMG_4054IMG_4050Da sind mittlerweile ca 20 Autos vor mir und alle paar Minuten wird eins vorgelassen. Das kann ja dauern … Aber auch das geht recht schnell, verglichen mit der Prozedur die noch kommen sollte. Habe aber noch Zeit wie angefordert  das Nummernschild zu säubern. Das sah aber auch tatsächlich aus wie Sau.

Ich weiss nicht mehr genau, wie viele Papiere bzw. Stempel ich bekommen und unterschrieben habe,  wie viele Kontrollen ich durchlaufen musste. Ich versuch das mal aufzuzählen

  1. Fahrzeugregistrierung Fenster 1
  2. Fahrzeugregistrierung Fenster 2
  3. Pass- und Fahrzeugkontrolle auf estnischer Seite
  4. Passkontrolle und Formularaushändigung auf russischer Seite
  5. Pass- und Fahrzeugkontrolle auf russischer Seite
  6. Zollkontrolle der ausgefüllten Fomulare auf russischer Seite. Ach ja. Und Passkontrolle
  7. Passkontrolle bei Ausfahrt

Bei der ganzen Prozedur bekomme, unterschreibe und gebe ich diverse Zettelchen ab und hoffe jetzt einfach mal, dass ich die richtigen Zettelchen noch habe, um keine Probleme bei der Ausreise zu bekommen und keine Waschmaschine gekauft habe.

Bei Schritt 4 bekomme ich ein kleines Paper in den Reisepass gelegt und die Zolldokumente in doppelter Ausführung mit der Aufforderung zum Ausfüllen in die Hand gedrückt. Wo und wie, das bleibt mir überlassen. Auch wie ich die Papiere einigermassen trocken ausfülle. Die wollen bestimmt keine nassen Zolldokumente verarbeiten. Die Dokumente werden dann bei Schritt 6 geprüft und recht freundlich die fehlenden Angaben gemeinsam ergänzt. Bei dem noch unangetasteten Zettelchen im Reisepass guckt die Zollbeamtin mich vorwurfsvoll an, sagt tztztz und fängt an das für mich auszufüllen. Fand ich nett. Unterschreiben, teilen und die eine Hälfte bleibt bei mir. Das ist, wie ich später feststelle, die ‚Immigration Card‘ und bestimmt wichtig.

Und dann fertig. Durch. In Russland. IMG_4057Jetzt bleibt nur noch die Versicherung für das Mopped. Schweizer Versicherungen machen nämlich scheinbar in Russland nichts, wie mir die russisch/deutsch sprechende Reisebegleitung eines vor mir in der Zollkontrolle stehenden Reisebusses sagt. Aber gleich nach der Grenze gäbe es rechts Kioske, an denen könne man eine kaufen.

IMG_4063Nun ist der Begriff ‚Kiosk‘ ja recht weit gefasst. Erster Kiosk ist ein Büdchen und kann mit meinem Gestammele nach Insurance oder Versicherung natürlich nichts anfangen. Also weiter. Tanke. Gleiches Spiel, gleiches kein Glück. Dann kommt nichts mehr. Ich überlege kurz, einfach ohne Versicherung loszufahren. Geht eh scheinbar nur bis 11´000 EUR. Aber bei einer Polizeikontrolle möchte ich nicht ohne gültigen Versicherungsschutz da stehen und schon gar nicht im Falle eines Unfalls.

Also wieder zurück in Grenznähe, wo es noch estnisches Netz gibt, und per Google Translate Motorrad Versicherung für Russland kaufen mich durch die Gegend gefragt. Keine Ahnung, ob die Übersetzung gut ist, aber schliesslich lande ich tatsächlich in einem Versicherungskiosk und erwerbe für 900 RUB (knapp 12.30 EUR) eine Versicherung und viel Papier für einen Monat.

Englisch ist übrigens eine Fremdsprache. Und dass die hier sehr fremd ist, merke ich an jeder Ecke. Auch im Versicherungsbüro gehts nur per Google Translate auf beiden Seiten. Und einmal hilft mir meine Übersetzerin, die mir auch schon den Führerschein übersetzt hat. Den habe ich hier tatsächlich das erste Mal gebraucht und wurde anstandslos akzeptiert. Lob an http://www.auf-gut-russisch.de/.

Die restliche Fahrt ist regnerisch und langwierig. Die Strasse ist allerdings entgegegen meiner Erwartung sehr gut ausgebaut und recht modern. Anspruchsvoll wird es dann, einen Parkplatz zu finden, abzusatteln und mit sämtlichem Gepäck (ich will nix am Mopped lassen) im strömenden Regen auch noch das Hotel zu finden. Aber auch das hat letztlich geklappt. Die Gesichter der Touristen und Einheimischen waren allerdings belustigend.

Ich bin froh, dass ich eine Notreserve an Bargeld dabei habe. Denn meine „weltweit Geld zum Nulltarif abheben“ Kreditkarte spuckt der Automat wieder aus. Scheinbar ist St. Petersburg in diesem Sinne nicht mehr in der Welt — oder zumindest diese Bank nicht. Belustigend fand ich dann die Dame, die mir das Bargeld in der Bank wechselt. Ohne ein Wort, ohne die Miene auch nur eine Sekunde zu verziehen. Die könnte glatt bei der Grenzkontrolle anfangen.