Motorrad-Reisen und -Touren

Rentiertag

22.06.2009

341 Kilometer aus dem Wald nach Pudasjärvi

Wie gehabt, wird „kürzeste Strecke“ eingestellt. Erstmal geht’s aus dem Wald auf die schon wohlbekannte Schotter-Rennstrecke. Dann soll ich irgendwann nach links abbiegen. Aber da steht ein „Einfahrt verboten“ Schild und soweit ich den Text darunter entziffern kann steht da so viel wie „Benutzen auf eigene Gefahr“. Die Straße — äääh Wegstrecke — sieht auch tatsächlich nicht so aus als würde man da einigermaßen ungeschoren durchkommen. Eigentlich ist das mehr eine Steinwüste die gradewegs durch den Wald führt. Mit einem zweiten Mann hätt ich’s vielleicht probiert. Aber wenn ich da drin feststecke, dann richtig. Also lass ich das besser. Das Navi kennt zum Glück „drumherum navigieren“ :).

Also erstmal weiter ein paar Kilometer auf der Rennstrecke. Und dann wieder nach links. Ich trau meinen Augen nicht. Jetzt kommt richtiger Schotter. IMG_1248_25%Wo sonst immer noch eine Spur zu sehen war: Nur noch grobe Steine. Aber was soll’s. Das sieht wenigstens fahrbar aus und ich hab ja eh keine Wahl wenn ich nicht umkehren will. Und auf den nächsten 15 Kilometern lerne ich noch viel über’s Fahren auf solchen Wegen: Immer das tun, was man eignentlich genau nicht will: Beschleunigen wo meine Gashand schon wegzuckt und Geschwindigkeit wegnehmen will, gaaanz locker im Handgelenk bleiben und nicht verkrampfen, auf keinen Fall aktiv lenken und immer schön aus den Knien raus wenn’s mal holprig wird. Und am Ende dieser Strecke bin ich schon ganz locker wenn die GS mal wieder nach links oder rechts ausbricht und geb Gas um wieder Stabilität zu bekommen.

Nichts desto trotz sehene ich mich nach Asphalt und stelle irgendwann auf „schnellste Strecke“ um. Bald schon geht’s nach rechts ab — auf eine Schotterpiste :D, angeblich 4 km. Und hier begegnen mir zum zweiten Mal Rentiere auf der Straße für heute. Also runter vom Gas, fein gehupt und die Tierchen vom Weg gejagt. Dachte ich. Die dachten wohl, ich wolle sie über IHRE Rennstrecke jagen und sie rennen was das Zeug hält auf der Straße vor mir her. Sieht schon lustig aus von hinten wenn die Ihre Beine so seitlich wegwerfen beim Rennen.

Nach 4 km geht’s dann allerdings gradeaus, also nochmal 12 km. Puh. Also gut. Der Schotter wird aber feiner und gleichmäßiger verteilt. Ich wusste nicht wie viele Arten von Schotter es hier gibt ….

IMG_1254_25%IMG_1250_25%Dann kommt irgendwann wieder so ein ‚Ding‘ am Straßenrand. Diesmal mit lustigen Flatterbändern über dem Weg. Und als ich so drumherum renne und das von allen Seiten fotografiere, renn ich in eine Rentierherde rein. Die gucken ganz interessiert und bevor ich zu nahe komme trotten Sie davon — über die Straße natürlich. Der Wald ist ja auch zu beschwerlich.

Überflüssig zu erwähnen, dass mir in der ganzen Zeit niemand außer den Rentieren begegnet ist.

Und nochwas hab ich heut gelernt: Schilder, die an Schotterstrecken stehen und auf scharfe Kurve(n), oder auf eine holprige Wegstrecke (!) hinweisen, sollte man durchaus ernst nehmen. Da kommt dann meist ein 90° Knick oder zumindest etwas das man mit reduzierter Geschwindigkeit nehmen sollte.

Und dann: Asphalt! Ich freu mich und der Rest der Strecke ist fast überall 100.

IMG_1262_25%Und als mein Tank auf Reserve geht, bin ich einmal mehr froh, dass ich wieder in der Zivilisation bin. Ohne Sprit ist doof. Die nächste Land-Tanke hat mich dann prompt komplett überfordert. Ich wie gewohnt, Rüssel raus und in den Tank rein. Da kommt nix. Plötzlich ruft der Supermarktbesitzer (natürlich ist da ein Supermarkt dabei) irgendwas auf finnisch. Ich deute erstmal auf meinen Helm, den ich noch auf hatte und mache das Zeichen von „nix verstehen“. Zum Glück hilft mir ein Einheimischer und zieht irgend einen Hebel, so dass sich das Zählwerk auf 0 zurückstellt und die Säule Geräusche von sich gibt. So schaffe ich es dann, Sprit in meinen Tank zu füllen. Puh. Warum stehen in keinem Lehrbuch die Vokabeln für „Ziehen Sie den Hebel unter der Einhängevorrichtung für den Zapfhahn zu sich heran“?

Nicht dass ein falscher Eindruck ensteht: Finnland ist ein sehr fortschrittliches Land. Lediglich auf dem Lande hat sich der Fortschritt langsamer ausgebreitet und ist da, wo notwendig. Und die Finnen verstehen es in und mit der Natur zu leben. Ich mag das sehr!

Am Nachmittag überquere ich den nördlichen Polarkreis mal wieder diesmal von Norden kommend und steuere den Zoo an. Dabei entdecke ich immer mal wieder typisch finnische Bushaltestellen-Wartehäuschen, in die ich mich auf der Stelle verliebt hatte.

 

DIMG_1275_25%er Zoo ist interessant und wirklich gut gemacht – selbst im Sommer (ist eigentlich ein Winter-Zoo). Normalerweise bin ich kein Zoo-Freund und mich überkommt stets eine gewisse Beklemmung, wenn ich sehe wie Wildtiere in Gehegen gehalten werden. Andererseits macht dieser Zoo darauf aufmerksam, wie viele frei lebene Exemplare es von den dort gehaltenen Tieren noch gibt. Das ist erschreckend: Teils nur 100 – 200 Stück. In ganz (!) Finnland. Nach dem Zoobesuch sehe ich Zoos mit anderen Augen.

Achso: Das Wetter. Heute: Warm. Sehr warm. Locker über 20 Grad. Regenkombi nicht notwendig und nach dem Zoo hab ich mich von zweien meiner 3 T-Shirt-Schichten entledigt.

Jetzt ist es kurz vor Mitternacht, es ist hell, ich sitze im Zelt auf einem Campingplatz bei Pudasjärvi, war in der Sauna und in der Ferne röhren die Bagger an irgend einer Baustelle. Hmm. Kurz vor Mitternacht… Andere Länder, andere Sitten.

Fazit des Tages:

5 (in Worten: fünf) Begegnungen mit Rentieren, davon 4 während der Fahrt und auf der Straße und zwei davon auf der 100 Strecke: Wild-Schilder in Finnland immer ernst nehmen. Ganz Nordfinnland ist ein riesiges Rentiergehege durch das Straßen gehen. In Deutschland wundert sich ja schließlich auch keiner wenn eine Kuh auf einer Kuhweide steht.

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Fazit 2: Schotterwege haben heute endgültig Ihren Schrecken verloren 🙂